Schermberg 2.396 m - Nordwand
Am 08.08.2014 sollte es durch die 1.400 m hohe Nordwand des Schermberg gehen. Ich entschied mich für den “Welser
Weg”, welcher mit dem Schwierigkeitsgrad 3- die einfachste Route durch diese imposante Wand darstellt. Da die
Orientierung bzw. Wegfindung die größte Herausforderung bedeute, setzte ich mich lange mit der Tourenbeschreibung
des Alpenvereinsführers “Totes Gebirge - Gisbert Rabeder” auseinander.
Vom Almtalerhaus startend, ging ich der beeindruckenden Nordwand entgegen. Zuerst auf einer Forststraße nach Süden in
die hintere Hetzau und zur Talstation der Materialseilbahn (Wegmarkierung 215). Nun weiter unter die sogenannten
Grundmauern und zum Beginn einer Schlucht. Der markierte Weg führt in Kehren über Schutt nach links empor. Hier quert
man jedoch nach rechts in ein Bachbett und der Einstieg des “Welser Weg” ist erreicht (1.040 m). Die Route ist nicht
markiert, Steigspuren bzw. Steinmännchen sind ab und zu erkennbar.
Ich machte mich sofort ans Werk und hielt mich meines Erachtens an die mitgeführte Routenbeschreibung. Auf 1.460 m
war dann Schluss. Ich befand mich viel zu weit östlich, im Bereich des Almtaler Köpfls und war dem Zustieg einiger
Kletterrouten gefolgt. Hier gab es für mich kein Weiterkommen. So ein sch***. Lange rang ich mit mir, schlussendlich
machte ich mich sehr enttäuscht an den Abstieg. Als ich mich wieder beim Einstieg befand und das Projekt eigentlich
schon abgehackt hatte, kam mir ein älterer Mann mit grauem lockigen Haar, kurzer Hose, weißem T-Shirt und einem
kleinen Rucksackerl nahezu laufend entgegen. “Gehst du den Welser Weg?”, frage ich ihn. Ein einfaches “Ja” bekomme
ich als Antwort, sonst nichts. Ob ich mit ihm mitgehen kann, ist meine zweite Frage. Seine knackige Aussage lautete:
“Wennst mithalten kannst... Aber Verantwortung übernehm’ ich keine.”
“Super, vielleicht wird’s ja doch noch was”, denk ich mir. Ich folge dem alten Hasen und ohne sich umzusehen, ohne ein
einziges Mal zu überlegen, klettert er durch die Wand. Ich muss mich echt bemühen, um mit ihm Schritt halten zu
können. Ein Wahnsinnstempo legt er an den Tag. Kein Wort wird gesprochen und ich kenne bis heute seinen Namen nicht.
Ich weiß nur dass er in Grünau lebt. Wir steigen immer höher und machen am gesamten Weg genau eine Pause (1.730 m -
Schönes Rastplatzerl). Das war auch der einzige Zeitpunkt, wo ich die Möglichkeit hatte, ein Foto zu machen. Sonst hätte
ich ihn wahrscheinlich aus den Augen verloren. Nach 2 h 20 min! standen wir auf dem Gipfel (im Tourenführer sind 5 Std.
veranschlagt). 2.139 Höhenmeter hatte ich in den Beinen und als ich noch am höchsten Punkt das Panorama genoss,
machte sich mein stiller Begleiter bereits aus dem Staub. ;-) Ich möchte mich hiermit bei dem Local aus Grünau im Almtal
bedanken! Ohne ihm wäre ich mit leeren Händen nachhause gefahren.
Nach kurzer Rast folgte ich meinem Gefährten und stieg über den Normalweg wieder ab. Äußerst zufrieden und etwas
müde kam ich beim Almtalerhaus an. An diesem Tag hatte ich das Glück auf meiner Seite! :-)
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Richard Egger
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