Höhe- 4.048 m Gebirge- Berninagruppe Lage- Schweiz/Italien Ausgangsort- Pontresina/Schweiz 1.805 m Route- Tschiervahütte 2.583 m - Fuorcla Prievlusa 3.430 m- Biancograt- Piz Bianco 3.995 m- Piz Bernina 4.048 m- Spallagrat- Marco e Rosa Hütte 3.597 m- Bellavista Terrasse- Fortezzagrat- Morteratsch 1.896 m
Piz Bernina 4.048 m - Biancograt
Die laut Tourenführer beschriebenen Felskletterpassagen waren meistens keine oder zumindest mit Eis bzw. Schnee glasiert.Die soliden Bohrhaken, welche im felsigen Vorbau vor dem Biancograt vorhanden sein sollten, waren teilweise nicht zufinden. Mit dem nötigen Kletterequipment ausgerüstet, konnten wir uns jedoch selbst Abhilfe schaffen.Am Biancograt angekommen, wechselte die Stimmung von “Verdammt ist mir kalt, ich sterbe!” auf “Verdammt ist mir kalt,vielleicht überleb ich’s” wie das Wetter von windig und wolkenverhangen auf windig und ein bisschen sonnig wechselte.Bedächtig zogen wir die ersten Spuren in den Schnee und stapften in Richtung Piz Bianco. Es musste seit Tagen keiner mehrhier oben gewesen sein. Am “Vorgipfel” angekommen, hielt sich meine Euphorie in Grenzen. Die Gesichtsfarbe änderte sich von blau aufdunkelblau... Ich zietiere aus meinem Tourenführer (Hochtouren Ostalpen): “Ab dem Piz Bianco betreten wir wieder Felsgelände.Waagrecht folgen wir der Gratkante, bis diese in die Berninascharte abbricht. Hier abseilen. Danach überklettern wir nocheinen luftigen Gratturm und erreichen so eine weitere Scharte direkt unter den Gipfelfelsen. Weiter über die steilen undausgesetzten Felsen direkt am Grat hinauf und danach weiter in leichterem Felsgelände bis zum höchsten Punkt.” Bei uns sah das Ganze um einen Tick anders aus. Ich fragte mich schon, ob wir am richtigen Berg waren. ;-) Von Felsgeländekeine Spur. Wir krochen die ca. 10 cm breite Grat- bzw. Firnkante im Reitersitz hinüber, links und rechts pfiff es einigehunderte Meter hinunter. Zu unserer Beruhigung konnte man den Boden aufgrund der Wolken nicht sehen. Als wir die Hosenbereits voll hatten, stand der mächtige Gipfelaufschwung bevor.Robert sicherte mich und ich hatte das Vergnügen vorzusteigen. Ich wühlte mich durch den losen Schnee und bei jedemSchritt wusste ich nicht, ob er halten würde. Ab und zu lachte eine Felsnase heraus und es war mir möglich, mit einerBandschlinge oder einem Keil eine Sicherung zu setzen. Die Eisschrauben hätte ich als überschüssigen Balast gleich in denAbgrund werfen können. Völlig unnütz in diesem Gelände. Ich hoffte nur, dass ich einen Stand bauen könnte, bevor das Seilzu ende war. Etwas nervös, da die letzte Zwischensicherung schon einige Meter unter mir lag, kratzte ich mit meinenSteigeisen am Felsen und siehe da, ein Bohrhaken! Welch Erleichterung. Ich schrei zum Bert’l: “Wie viel Seil haben wirnoch?” “A paar Meter, des geht’ sich aus bis oben!” Und tatsächlich, ich erreiche flacheres Gelände und komme somit aus der Gefahrenzone. Nachdem sich meine Kameradenebenfalls durch die Crux gekämpft hatten, erreichten wir um ca. 17.00 Uhr den Gipfel. Freude sah anders aus. Schnell runterbevor es dunkel wird, dachten wir uns. Gegessen hatten wir seit dem Verlassen der Hütte nichts mehr. Egal.Der Spallagrat war keineswegs weniger ausgesetzt. Ein verdammt schmaler Firngrat führte hinunter zum Gletscher. Raphi,der schon seit längerem kein Wort mehr gesprochen hatte, konnte sich im Abstieg das Grinsen nicht mehr verkneifen.Zuversichtlich seilten wir die letzten versicherten Stellen ab und erreichten endlich den Gletscher. Die Dunkelheit brach überuns ein aber wir konnten uns auf Raphi’s Spürnase verlassen. Wir kamen ohne Probleme um ca. 20.00 Uhr beim Winterraumder Marco e Rosa Hütte an. Der Kampf dauerte somit geschlagene 16 Stunden.Der Hüttenwirt hatte die Saison bereits beendet und so mussten wir die Nacht im “Vogelhäusl” verbringen. Ich hatte dasnatürlich schon im Voraus abgeklärt und mit Gaskocher, Packerlsuppe und Hartwurst ausgestattet, bereiteten wir uns einenfeinen Gaumenschmaus! :-) Die zweite Seilschaft aus Deutschland stiess erst zwischen 21.00 und 21.30 Uhr zu uns. Siebedankten sich, da sie ohne unsere Spuren die Hütte womöglich nicht gefunden hätten. Die Sorgenfalten aus dem Gesichtgestrichen, konnten wir uns nach Speis und Trank entspannt in die ‘Hapfn’ schmeissen. Am nächsten Tag gingen wir es gemütlich an und stiegen bei feinstem Wetter über die Bellavista-Terrasse und weiter überden Fortezzagrat zur Isla Pers ab. Am Rande des Morteratschgletschers hinabmarschierend, erreichten wir nach elendslangem Abstieg müde und ausgezehrtflacheres Gefilde. Dem Touristenstrom folgend, kamen wir überglücklich am Bahnhof Morteratsch an. Mit der RhätischenBahn tuckerten wir zurück zum Ausgangsort. Die 6-stündige Autofahrt nachhause (bei strömendem Regen) gab mir noch denRest! :-)